Reportageserie über extreme Armut von
Roma in Nordostungarn, Teil 1
tags: Adám Csillag, Armut, Cserehát,
István Hell, Ostungarn, Roma, Selbsthilfe
Der erste Teil einer geplanten
Reportageserie von István Hell über die Lebensumstände von Roma in
extremer Armut in Nordostungarn. Hell ist Lehrer und Blogger, er
beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Situation der Roma in
Ungarn und unterrichtet derzeit am Roma-Gymnasium in Sajókaza.
István Hell: Im Haus der tiefen
Armut,
9.12.2012
(Übersetzung PR, gekürzt und teils
zusammengefasst)
Der Roma Zoltán Balogh [zufällig ein
Namensvetter des für die Romaintegration zuständigen Superministers
für Humanressourcen], 57, lebt mit seiner (…) jungen Frau Gizella
und zwei kleinen Töchtern in einem noch nicht fertig gestellten Haus
aus Ästen, Erde, Teppich- und Folienstücken in Csenyéte, einem der
ärmsten Dörfer der Gegend Cserehát im Komitat
Borsod-Abaúj-Zemplén.
István Hell lernte die Familie Balogh
diesen Herbst im Rahmen eines Dokumentarfilmprojekts mit dem
Regisseur Ádám Csillag kennen; damals wohnte sie noch in einem aus
Abfällen gebauten Zelt:
Angesichts des bevorstehenden
Wintereinbruchs begann Balogh mit dem Bau der Hütte aus Ästen, die
Zwischenräume füllte er mit Erde auf:
Während des Baus wurde die Hütte
mehrfach vom Regen durchweicht; Baloghs Lohn vom staatlichen
Beschäftigungsprogramm reichte nicht für den äußeren Verputz der
Hauswände und den Bau eines Kamins, und seit Anfang Dezember
herrschen Kälte und Schnee. Balogh behalf sich mit Lehm aus einem
verfallenen Haus, den er mit dem Schubkarren ankarrte und durch
Aufweichen und Treten wieder verwendbar machte; die Wände dichtete
er mit gebrauchten Teppichstücken und Plastikfolie ab.
Möbel besitzt die Familie keine, aber
in den Raum von 8-9 Quadratmetern würden auch keine hineinpassen, er
ist mit dem Doppelbett und dem alten Eisenofen völlig ausgefüllt.
(Balogh:) “(…) Ich bin aus
Hernádnémeti, und habe seit meinem 13. Lebensjahr bis zur Wende
immer gearbeitet, (…) zuletzt in der Schraubenfabrik in Onga, bis
zu ihrer Schließung. Seither habe ich keine ständige Arbeit, nur im
öffentlichen Beschäftigungsprogramm oder Gelegenheitsarbeiten. In
Hernádnémeti habe ich auch bei der Gemeinde gearbeitet, war
Brigadeführer, und das bin ich auch hier in Csenyéte. Davon leben
wir, und von dem bißchen Kindergeld. (…) [Balogh erzählt seine
familiäre Vorgeschichte, zwei Ehen und Kinder; bevor er mit seiner
jetzigen Frau zusammenkam, wohnte er unter beengten Verhältnissen
bei seiner erwachsenen Tochter im Dorf.] Es war nie Geld da für
irgendwas. Ich musste Hunderter Nägel, Zweihunderter Nägel und
Krampen kaufen, (…) Rigipsplatten für die Decke, damit die Wärme
nicht entweicht. (…) Und ich bin auch nicht ganz gesund, hatte eine
Operation an der Wirbelsäule, bräuchte auch Geld für Medikamente,
für Windeln, für Essen, aber es ist eben keines da. Es wäre gut,
neben dem Haus noch ein anderes von vier Quadratmetern zu bauen, aber
dafür bräuchte ich viel Geld: Für Zement, Kalk, Sand, für alles.”
Gizi, seine Frau, sagt, sie werden nie
reich sein, aber das mache nichts. Sie wünscht sich nur, ihre Kinder
gut erziehen zu können, sie in die Schule schicken zu können, sie
sauber zu halten und immer Essen für sie zu haben. Denn heute,
obwohl schon früher Nachmittag, haben sie noch nichts gegessen. „Was
kochen Sie heute?”, frage ich den Mann, der aus Ästen auch einen
“Kühlschrank” neben dem Haus gebaut hat, um dort das Fleisch
aufzubewahren, wenn sie welches haben. “Na ja… irgendwelche
Kartoffeln wohl”, sagt Balogh. „Und wo sind die Kartoffeln, die
sie kochen wollen?”, frage ich weiter. Aber darauf antwortet er
nicht, sondern sieht mir nur stumm in die Augen, als wolle er sehen,
welchem von uns beiden zuerst die Tränen kommen.
Unterstützung für István Hells
Reportageserie “A magyar Cigányország” (“Das ungarische
Zigeunerland”) an die ungarische Raiffeisen Bank
12037001-01346739-00100005, IBAN: HU83 1203 7001 0134 6739 0010 0006.
Nach der Veröffentlichung auf Hells
Blog schickte eine in Österreich lebende Frau der Familie Balogh 100
EUR, die das Geld – wenn sie es nicht für Essen verwenden – für
den Weiterbau des Hauses verwenden möchten. Video von der
Geldübergabe: